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The Shop of Mister Sahm, Altenessen, Essen, Germany (Ruhrgebiet). A small shop in the deserted part of the city. Here’s a man of around sixty where past, present and future fall into each other, as in a mirror in which time and space begin to bend and we ourselves are not sure where we are and who we have been before we arrived. How did we get here? What was my name before I got here? And did I ever have a name? When we come out of the voiceless mirror where we have been waylaid, then we look at things around the shop that have been collected for us, things that have been waiting for us to arrive. The shop´s old door locks and giant keys from another era. As in my childhood, when I needed all the strength of my tiny child’s fingers to hold just one key welded out of hammered, dark blue iron. And also little special tools from the the Ruhr Valley, from the early days of industry, the use for which I cannot now imagine. They lay besides cellphones an electronic devices, bicycles, shoes, clothes and other things that belong to this town of Altenessen. All of these things are packed tight to the ceiling and following their own laws of order, devotion and ritual. Mister Sahm is the watchman and guardian of the shop - any trader or dealer can exchange one object for another. When I entered Mister Sham’s shop the first time, I witnessed the exchange between an elderly lady and this unconventional guardian, who seems hardly from this world at all. Mister Sahm wears white rubber globes with worn-down fingertips. His speech reveals what what world he comes, which is also a name for a faraway site of war, a place once known in the 1940´s as a blossom of progress in the Islamic world, a place now known for a radical creed of destruction, spread out to the doors of the so-called West. Mister Sahm asked me in a very quiet voice: What is your name? What are you looking for? How can I be of assistance? My name is Hüseyin Shyly I begin to say that I’ve come to this place to learn about the people who live here. I tell him my plan to make an artwork about art and industry in the Ruhr region. He looks at me with curiosity, so I try to explain it another way - as if my art was religion or ritual. That’s what I say to him, guessing that this strange man has sacrificed his life for some intense and holy zeal. A little self-made sign hangs in the shop, written in a childlike writing, like the sentences of my father, who learned to spell very late in his life. Compulsory education came late to my father’s generation and to his poor mountainous homeland, and he was thirteen years old already when he went off for work in a far-away town. The homemade sign reads „I am back in two minutes“. Not that he ever really leaves this curious shop to walk in town to fulfil his daily tasks, no, he locks the door from inside to pray five times a day. And because the month of Ramadan has just begun, he prays throughout the night. His sleepless eyes reveal the unordinary things that happen here. Well, he asks me —as he casually takes a bit of paper and begins to draw—if I, who does such things as art, also understand electronics. I tell him yes, I’m interested to open any electronic device with curiosity, but for me I see only a labyrinth where tiny electronic tensions float. He fetches a box of diodes and directs me to a painting which hangs above the door. He then asks me whether I could make something like this painting with the LEDs. I ask him what is written on the gold-plated plastic of the painting. He points to a line that rises to give the impression of a swelling. This here means Allah, and these here are Suras from the holy book. I agree to this commission. Art is similar enough to religion that one may follow a path without knowing fully where it may lead. And so my peculiar life is much like that of Mister Sahm. He nods and hands me the paper scrap where he’s been scribbling straight away. He says: this is how to spell your name in my tongue. So I will make this written sign for Mister Sahm and for his shop, which provides him security against his imagination of the end of the world out there. For he cannot easily understand the world out there. It follows different rules than his. But also many of the recently arrived do find their way into his shop, from small children who needs screws for a bicycle to a woman who tries to sell her jewelry to this uncommon Mr. Sahm. And so begins for me and you, dear reader, who reads this little text, the first step into a world which might seem hidden and of which we can might see only here and there some signs. Hüseyin Karakaya 9.7.2015

Altenessen

 

Ein kleiner Laden an der Altenessener Straße, an dem verlassenen Teil. Ein Herr um die 60 führt hier einen Ort, an dem die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft ineinander fallen, ähnlich einem Spiegel, in dem Zeit und Raum sich zu verbiegen beginnen und wir selbst uns nicht mehr sicher sind, wo und wer wir gewesen sind bevor wir diesen Ort betreten haben.

 

Wie sind wir hierhergekommen?

 

Wie war mein Name?

 

Hatte ich je einen Namen?

 

Und wenn wir es geschafft haben, so versunken und verloren den Blick aus diesem widerhalllosen Spiegel zurückzuholen, schauen wir die Dinge an, die h ier nur für uns angesammelt warten. Türschlösser der Türen der Umgebung mit den heute nicht mehr gebräuchlichen großen alten Schlüsseln. Wie in meiner eigenen Kindheit, der Schlüssel brauchte die ganze Kraft meiner kleinen Kinderhände, um diesen aus dunkelblau schimmernden geschmiedeten Eisen zu halten. Kleine Spezialwerkzeuge aus dem Beginn der industriellen Revolution des Ruhrgebietes, deren ursprünglichen Zweck ich nicht mehr erahnen kann, liegen neben Handy- und Elektronikteilen, Fahrrädern, Schuhen, Kleidung und weiteren Dingen aus der Umgebung um Altenessen. Alles ist in einer Dichte und einer eigenen Gesetzmäßigkeit folgend bis an die Decke gepackt und jeder mögliche Ort dieser Ordnung scheint besetzt worden zu sein mit einer Art von Andacht und einem Ritus. Durch einen Tausch mit dem Wächter, dem Händler, kann ein neues Objekt an diesen Ort hinzugefügt oder ihm entnommen werden. Als ich das erste Mal den Laden betrat sah ich leibhaftig einem solchen Tausch zu, zwischen einer älteren Frau und diesem eigenwilligen Wächter, der nicht aus dieser Welt zu sein scheint. Er trägt weiße Gummihandschuhe, die an den Spitzen abgewetzt sind, sodass die Fingerkuppen zu sehen sind.

Seine Aussprache verriet eine Herkunft aus einer Region dieser Welt, die als Synonym für den Ort des Kriegs geworden ist. Aus der Blüte einer der liberalsten Regionen der islamischen Welt der 40er Jahre ist ein Ort der Vorboten der radikalsten Mythologie / Ideologie, der der Zerstörung, gewachsen bis vor die Türen und in das Haus des sogenannten Westens.

Der Wächter des Ladens fragt mich mit einer ruhigen Stimme

 

Wie ist dein Name?

 

Was suchst du?

 

Kann ich dir behilflich sein?

 

Mein Name ist Hüseyin. Etwas verlegen beginne ich von meiner Absicht zu sprechen, dass ich an diesen Ort gekommen sei um über ihre Bewohner einiges in Erfahrung zu bringen. Ich erzähle ihm von meinem Vorhaben, hier eine Arbeit zu machen und dass diese etwas mit Kunst und den industriellen Umwälzungen im Ruhrgebiet zu tun hätte. Um seinen unverständlichen Gesichtsausdruck etwas aufzulösen, versuche ich ein Vergleich zu finden, es sei eine Art von Religion oder Ritual, führe ich aus. Denn ich vermutete, dass mein Gegenüber einer ernsthaften religiösen Sehnsucht bzw. einem Ritus sein Leben geopfert hat. An seinem Laden hängt zeitweise ein selbst geschriebenes kleines Schildchen mit langsamer kindhafter Schrift, ähnlich der Schrift meines Vaters, der das Schreiben spät gelernt hatte, da die Schulpflicht in der kargen Bergregion erst in seiner Generation eingeführt wurde, er aber schon mit 13 Jahren in einer fernen Stadt arbeiten musste. „Ich bin in 2 Minuten wieder da“ steht auf diesem Schildchen. Nicht dass er diesen eigenwilligen Ort verlässt um an einem anderen Ort seinem Ritus oder einer Aufgabe zu folgen, nein, er schließt die Tür von innen zu um am Tag fünfmal zu beten. Und da gerade der Fastenmonat des Ramadan begonnen hat, betet er auch die Nacht durch. Seine etwas schlaflos wirkenden Augen verraten die eigenwilligen Dinge, die hier vor sich gehen. Also, fragt er mich und nimmt beiläufig ein kleines Stück Papier und beginnt mit ruhiger Hand etwas zu zeichnen, wenn ich so was wie Kunst mache, ob ich denn auch was von Elektronik verstehe. Ich erzähle ihm von meinem Interesse, so jedes elektronisch aussehende Ding mit einer Neugier zu öffnen um dann darin zu sehen, dass nichts zu sehen ist als ein Labyrinth, in dem kleinste elektrische Spannungen fließen. Er bringt mir eine Kiste von Leuchtdioden und führt mich zu einem über der Tür hängenden Bild. Er fährt fort, ob ich denn so was machen könnte mit den Leuchtdioden. Ich erkundigte mich, was auf dieser Plastikvergoldung denn stehe. Er zeigte mir einen kleineren Teil davon, wie eine Linie, die aufsteigt um eine Beule anzudeuten. Dass dieses Allah bedeute und die anderen Texte aus dem Heiligen Buch entnommene Suren seien. Ich gehe auf diesen Tausch / Auftrag ein. Kunst sei so etwas Ähnliches wie eine Religion, in der man etwas nachfolgt, das man selber nicht zu erkennen vermag. Die merkwürdige Lebensweise, die ich eingeschlagen habe, sei aus diesem Grunde die seiner gar nicht unähnlich. Er nickt zustimmend, dabei gibt er mir das kleine Blatt Papier, auf dem er die ganze Zeit aufmerksam gezeichnet hat und sagt: Das ist dein Name in der Schrift meiner Sprache.

Nun werde ich für diesen eigenwilligen Herrn, für seinen kleinen Laden des Tausches, eine Schrifttafel herstellen. Für seinen Laden, der seinem Ritus und angesichts seiner Vorstellung von dem Ende der Welt da draußen Sicherheit bietet. Da draußen ist die Welt eine nicht leicht Einzuordnende, eine, die anderen Riten verfallen ist als den seinen. Doch scheinen auch da draußen viele der hier neu Angekommenen den Weg in seinen Laden zu finden, von kleinen Kindern, die eine Schraube für ihr Fahrrad kaufen bis zu der Dame, die ihren Schmuck an den eigenwilligen Herren zu verkaufen versucht. So beginnt für mich und das verehrte Publikum, das diesen kleinen Text liest, der Einstig in eine Welt, die verborgen scheint und von der wir nur hier und da ihre Zeichen sehen.

 

Hüseyin Karakaya  9.7.2015

 

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